– Eine Reise in den Mikrokosmos der Stimmklänge Lauren Newtons –

Lauren Newton, Stimme
Stimmaufnahmen
Tontechnik und Schnitt: Martin Eichberg
Regieassistenz: Nathalie Singer
Sabine Schäfer, Regie, Komposition und Realisation
Produktion DeutschlandRadio Berlin / Saarländischer Rundfunk 2000
Ursendung: DLR Berlin, 1.Dezember 2000

Die Reise bzw. das Reisen, das Unterwegssein in verschiedensten Facetten und auf unterschiedlichen Klang- und Handlungsebenen bildet die thematische Klammer dieses Stückes. Ein Geflecht von äußeren und inneren Reisen breitet sich aus. Geplante, vergangene und imaginäre Reiseerlebnisse und vor allem Reisen in den Mikrokosmos der Klänge prägen den Charakter dieser radiophonen Klangkomposition.
Lauren Newton´s Stimme bildet die Grund-Klangsubstanz, aus der die Produktion überwiegend kreiert ist. Aus ihr heraus generieren sich instrumental wirkende Klangfarben, wie z.B. die oft anwesenden tiefen und langsam pulsierende Bässe oder auch – manchmal synthetisch erscheinende – Klangflächen in hohen Lagen. Viele abstrakte Klangfarben, die für den Hörer nicht mehr auf menschliches Stimmaterial rückführbar sind – ihn evt. jedoch völlig anderes Konkretes assoziieren lassen -, wurden aus dem Mikrokosmos dieser Stimme gewonnen. Aber auch die wiederkehrenden „fremden“ Stimmen oder mehrstimmigen Männerchöre sind aus dem Newtonschen Stimmaterial generiert.

Lauren Newton´s persönliches und künstlerisches Leben hat in vielfältiger Hinsicht auf die Gestaltung des Stückes, auf die Auswahl der Klangmaterialien und auf einige andere Parameter gewirkt. So wird z.B. die Tagebucherzählung ihrer Flugreise von Los Angeles nach Seattle zu einem substantiellen, in Variationen wiederkehrenden Formteil, und ihre Besessenheit vom Singen führt sie in ekstatische Klangzustände.
Es herrscht auf allen Ebenen eine permanente Verflechtung der Frauenstimme mit den Naturklängen und den Umweltgeräuschen. Diese bilden zeitweilig den Resonanzraum, das kontrapunktische Pendant oder auch ein Klangfarben-Feld für Mixturen und Vermischungen verschiedenster Art. Artifizielle KlangMilieus aus transformierten Vogelstimmen und der Frauenstimme werden etabliert. Metamorphosen führen von konkret assoziierbaren Szenen zu abstrakten Klangkomplexen und umgekehrt.

Von den äußeren Zonen, wie der geplanten Konzert-Reise und der vergangenen Flug-Reise (Tagebucherzählung), bewegt sich das inhaltliche, aber auch das klangliche Geschehen in wellenartigen Prozessen zu den inneren, imaginären Zonen. Dabei wird die Erinnerung an den real statt gefundenen Flug zu einem Fliegen in die Fantasie, in den Traum hinein. Hier beginnt auch die Stimme, sich mit den Naturklängen und Umweltgeräuschen immer intensiver zu verweben. Die einzelnen Klangebenen amalgamieren somit zu multilinearen und multidimensionalen symbiotischen KlangGefügen. Die Stimme begibt sich zunehmend in ekstatische, in extreme Zustände hinein, wodurch die Anbindung an das Außen, die äußere Referenz verloren geht. Statische Klangblöcke mit extrem grellen Klangfarben kennzeichnen den Orientierungsverlust, in dem die maschinellen Geräusche überhand nehmen, in denen sie schließlich den Halt verliert und die Psyche kollabiert. In wellenförmiger Rückwärtsbewegung gelangt Newton´s Stimme allmählich wieder an die Oberfläche, bis Lauren Newton zum Schluß wieder in ihrer Küche sitzt und mit ihrem Lebensgefährten Koho Mori Suppe schlürft……. was war eigentlich passiert?……. – womöglich war alles nur ein gedankliches Ereignis von wenigen Sekunden?