Dr. Hanno Ehrler
Das Unhörbare hörbar machen …
„…So sind die Naturklänge im Verständnis des Künstlerpaars jenseits musikalischer Traditionen angesiedelt und unterscheiden sich dadurch fundamental von den üblichen „musikalischen“, vom Menschen erzeugten Klängen, seien es instrumentale oder elektronische. Sie entziehen sich musikalischen Traditionen, einer musikgeschichtlichen Eingebundenheit, die jedem anderen Klangmaterial anhaftet. Sabine Schäfer und Joachim Krebs schreiben den Naturklängen einen „über alle politisch-kulturellen Grenzen hinausweisenden, universellen Charakter“ zu. Um diesen Charakter bei der künstlerischen Arbeit zu erhalten, versuchen die beiden Komponisten möglichst wenig in die Naturklänge einzugreifen, sie nicht zu manipulieren, sie selbst sprechen zu lassen.

Die technischen Verfahren, denen sie das Material unterziehen, bezeichnen sie daher auch nicht als Bearbeitung, sondern verwenden andere Begriffe. Sie „molekularisieren“ die Klänge durch zeitliche Dehnung und Tieftransponierung; sie „fragmentarisieren“ sie, indem sie kleine Stücke aus den zeitlich gedehnten Klängen ausschneiden und in Wiederholungsschleifen setzen; und sie „elementarisieren“ sie durch Abschwächung oder Intensivierung bestimmter Parameter, einerseits, um Störendes zu eliminieren, andererseits um die wesentlichen Aspekte eines Klangs transparenter zu machen. In Analogie zum Optischen handelt es sich dabei um eine Vergrößerung und ein Scharfstellen ohne eine prinzipielle Veränderung des Ausgangsmaterials.
Von besonderer Bedeutung sind dabei die inneren Klangräume, die sich bei der Mikroskopierung, bei der „Audio-Slowmotion“ öffnen. Jedes einzelne Klangelement hat einen Ein- und Ausschwingvorgang und ein bestimmtes Hallverhalten, das nun vergrößert und intensiviert erscheint. Es repräsentiert das in einer Insekten- oder Vogelstimme enthaltene Ambiente, die Atmosphäre, in die die Stimme eingebunden ist. Diese Atmosphären sind nun, wie auch alle anderen vergrößerten und scharfgestellten Klangschnipsel, die Elemente des eigentlichen Kompositionsprozesses. Sie fungieren als Materialbausteine, die Sabine Schäfer und Joachim Krebs kombinieren und schichten und zu von den Komponisten „RaumklangMilieus“ genannten Gestalten fügen. Diese können dann im jeweiligen Aufführungsraum dreidimensional aufgespannt werden.
Publikation im Rahmen der Buch-Veröffentlichung „TopoSonic Arts“ (Auszug)
Kehrer Verlag, Heidelberg 2007